Solo in der winterlichen Hardangervidda

Ein Reisbericht von Gavin Paul

Entfacht ist der Herzenswunsch und die Idee eine Wintertour zu machen im August 2017 und geplanter Tour Beginn sollte im März 2018 sein. Was ich zu dieser Zeit noch nicht wusste, war wieviel Zeit es die nächsten Monate in Anspruch nehmen würde, neben Job und Familie mir das fehlende Wissen zu solch einem Vorhaben anzueignen, mich mental auf härteste Bedingungen vorzubereiten, meine Ausrüstung für arktische Verhältnisse zu trimmen und vor allem mich körperlich auf extreme Strapazen zu trainieren.

Dank Internet und Sozial Medias machte ich das halbe Netz links und mein Wissen wuchs von Stunde zu Stunde, was ich alles brauchen würde, Tips und Tricks um eine schöne Tour zu erleben, Logistik usw.

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Dann entstand die eigentliche Tour ,und Plan war es in Norwegen die Hardangervidda Nord-Süd Durchquerung mit Backcountryski und Pulka zu laufen. Die Hardangervidda ist ein Plateaufjell in Norwegen und die größte Hochebene Europas mit einer Fläche von zirka 8000 Quadrat Km bei der im Winter die selben arktischen Bedingungen herrschen wie bei einer Grönland Expedition, und so wird die Vidda auch „Klein Grönland“ genannt. 1893 versuchte der Norwegische National Held Roald Amundsen als erster Mensch die Hardangervidda im Winter von Nord nach Süd zu durchqueren, doch scheiterte er bei mehreren Versuchen und entkam nur knapp dem Tod. Eigentlich sollten es nur Vorbereitungstouren für seine eigentliche Südpol Expedition sein, doch er hat die Natur vor der eigenen Haustür unterschätzt und erst 1896 gelang Amundsen die Hochebene mit Skiern zu durchqueren. Nach seiner erfolgreichen Südpol Durchquerung als erster Mensch, sagte er später, das das Training in der Vidda härter und mühsamer gewesen war als die eigentliche Expedition, die ihn sogar fast das Leben gekostet hätte. Noch heutzutage kommen viele, die längere Expeditionen in die Eiswüsten dieser Erde planen hierher, um ihre Fähigkeiten auf die Probe zu stellen.

Die Hardangervidda im Winter auf den Spuren Amundsen zu durchqueren-noch dazu mit Pulka und Zelt bei arktischen Temperaturen bis zu -40°C -ist sicherlich keine leichte Aufgabe, man sollte gut mit sich selber auskommen, leidensfähig und willensstark sein und den Winter lieben. Doch mit einer ordentlichen Portion Neugier und Mut strebte ich das Abenteuer an. Nach ein paar Monaten hatte ich das theoretische Wissen eines Arktis Expeditioisten, und auch meine Ausrüstung wurde von Woche zu Woche optimiert. Ohne die Unterstützung meiner Familie, meines Arbeitgebers und HGL`s (Sport Reichmann) Herr Weizenhofer und den Sponsoren, Fjällräven, Garmin, und Fischersports wäre das Unterfangen nicht möglich gewesen. Da man die Ausrüstung für solch eine Expedition nicht gerade um die Ecke für kleines Geld bekommt, war dies eine meiner größten Herausforderungen in dieser Zeit und auch in einer Größenordnung wie ich es noch nie hatte. Nicht nur das finanzielle, sondern auch die Anzahl der speziellen Teile und nicht außer acht zu lassen, das Gesamtgewicht der Ausrüstung im Auge zu behalten, da ich es zum einen ohne Übergewicht per Flieger nach Norwegen transportieren musste und zum anderen sollte ich es auf Skiern in einer Pulka auch hinter mir hergezogen bekommen.

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Zum Start der Tour war das Gewicht in der Pulka etwa 70 kg, von denen 14 kg allein das speziell zusammengestellte Essen ausmachte für die nächsten 7-8Tage. Da ich jeden Tag ordentlich viele Kalorien zu mir nehmen sollte, bei einem Tages Verbrauch von 4000-5000 kcal ,vergleichbar eines Marathon Läufers .

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In den letzten Tagen vor der Tour, als immer mehr Arbeitskollegen und Freunde Wind von meinem Vorhaben bekamen, fragten Sie mich immer wieder wie man auf solch eine Schnapsidee komme im Winter bei bis zu -40°C im Zelt zu schlafen und das auch noch in einer Schnee und Eiswüste komplett abgeschnitten von jeglicher Zivilisation . So richtig beantworten konnte ich es wirklich nicht , außer das der Wunsch auf einmal da war und das die Bilder zur Hardangervidda im Winter eine magische Anziehung auf mich hatten. Nun war es soweit, ich besiegelte mein Vorhaben im Reisebüro in Sonthofen mit dem Kauf meines Flugtickets und der Termin stand fest, die Vorfreude war Riesen groß mit einer mega Portion Respekt. Die Tage liefen unaufhaltsam mit einer Geschwindigkeit auf mich zu und eh ich es wirklich begreifen konnte, stand ich bei Frühlingshaften 12°C Außentemperatur mit einem Riesen Gepäckberg am Flughafen in München und langte mir nur an den Kopf und fragte mich, was ich da angestellt habe. Mit viel Hintergrundwissen ,was ich im Vorfeld aus dem Netz erfahren habe, bekam ich mein Gepäck, trotz gutem Übergewicht in die Maschine und landete 2 Stunden später, um 16.15 Uhr, bei winterlichen -6°C und Schnellfall in Oslo Gardermoen.

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Nun hieß es erst mal abenteuerlich das gesamte Gepäck alleine per Bahn nach Oslo Zentrum zu bekommen wo ich am Bahnhof bis in die Nacht um 23.45 Uhr meine Zeit verbringen durfte bis mich der nächste Zug zu meinem Startpunkt nach Finse befördern würde. Dort traf ich mich auch Abends mit Christian, einem sehr netten deutschen Krankenpfleger der vor einigen Jahren nach Norwegen auswanderte, den ich über Facebook kennenlernte und er mir seine Hilfe anbot Kocherbenzin für meinen Primus Omnifuel2 in Oslo zu besorgen und es mir am Bahnhof zu übergeben, da man ja kein Benzin oder ähnliches im Flieger mitführen darf. Pünktlich in der Nacht startete mein Zug nach Finse, zum höchst gelegensten Bahnhof in Europa mit 1222 m.ü.M. und Startpunkt meiner geplanten Tour. Nach Finse gelangt man ausschließlich mit dem Zug und außer dem legendären Finsehotel, einem Bahnhof und ein paar kleine Ferienhäuschen befindet man sich in einer einsamen Schnee und Eiswüste soweit das Auge reicht. Es war in diesem Jahr ein Rekord Winter in Norwegen wie es seit über 40 Jahren nicht mehr der Fall war, mit enormer Schneemenge und arktischen Temperaturen bis unter -40°C die die Vidda in ein zauberhaftes Polarparadis verwandelte wie es sonst in Spitzbergen oder Grönland vorzufinden ist.

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Früh Morgens um 4.15 Uhr spuckte mich der mollig warme Zug am menschenleeren Bahnhof in Finse wieder aus und ich stand ernüchternd bei -27°C am Bahnsteig mit meinen enormen Gepäckmassen. Gott sei Dank war die kleine Bahnhofstation offen und ich zerrte erst einmal meine komplette Ausrüstung in der hellerleuchteten warmen Raum, in dem ich mich erschlagen von den Anreise Strapazen sofort mit Augenklappe und Decke auf die Wartebank legte um noch ein paar Stunden Schlaf zu ergattern bevor die Tour los ging.

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Von ausgeschlafen konnte heute nicht wirklich die Rede sein, als mich ein anrollender Güterzug mit Signalhorn aus dem Schlaf riss und bemerkte ich das es schon Tag hell war jedoch früh genug um mich aufzurappeln und mich wieder zu sortieren. So konnte ich mein erstes Frühstück in der Vidda doch noch im warmen verbringen und in Ruhe meine Ausrüstung startfertig herrichten. Nun hieß es aus drei großen Taschen und einem Rucksack alles wieder so zu komplettieren das ich nur noch meinen Fjällräven Freiluft 35 auf dem Rücken hatte und der Rest der Hightechausrüstung in der 250 Liter Pulka Tasche von Fjellpulken penibel genau zu platzieren ,das ich bei allen Wetterbedingungen genau wissen würde wo ich was finde, was bei diesen Temperaturen Sinn macht. Petrus versüßte mir den heutigen Tag in dem er mir den fast blauen Himmel mit Sonnenschein überzog, doch die eisigen Temperaturen holten mich auf den Boden der Realität und erst jetzt realisierte ich das ich, wahrhaftig ganz alleine hier stehe und eine Expedition starte. Man hat mich zwar in der Planungsphase auch immer wieder gefragt, mit wem ich denn dort alles unterwegs sein würde. Und ich sagte immer, ich laufe alleine! Denn finde gerade mal jemanden auf die Schnelle aus deinem Bekanntenkreis der nur ansatzweise Lust auf solch ein Vorhaben hat, bei – 30°C im Zelt zu schlafen, und dazu nebenbei eine Expeditionsausrüstung im Keller lagert oder ein ordentliche Stange Geld in die Hand nehmen würde um sich dafür mal kurz auszustatten. Natürlich kam mir sehr oft aus gehörigem Respekt vor dieser Nummer der Gedanke, das ich gerne jemanden dabei haben würde, doch der Versuch den ein oder anderen Freund davon zu begeistern mitzukommen, verlief leider erfolglos . So checkte ich nochmal mein neues InReach Explorer+ , ein neues Highend GPS Gerät von Garmin, das genau für solche Expeditionen auf dem Markt erschien, und starte meinen Track. Das besondere bei diesem Gerät und warum ich mich genau für dieses entschied ist, das man mit der inReach-Satellitentechnologie von Garmin Nachrichten in Form von SMS senden und empfangen kann. Meine Frau konnte so auch die Tour am PC verfolgen, und über die Sozial Medias könnte man den Standpunkt und die Route teilen.Sowie bei Bedarf auch einen SOS-

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Notruf absetzen, um Hilfe, von der rund um die Uhr besetzten globalen Überwachungszentrale zu erhalten. Und endlich steige ich in meine Bindung der legendären Backcountry Skier von Fischer, dem E99 Crown Xtralite ,der auch sonst auf sämtlichen Arktischen Expeditionen gerne verwendet wird, hänge das Gestänge von meiner Fjellpulken Pulka am Trägergurt ein und gleite mit dem Monster Gewicht hinter mir von der Bahnhofstation auf den dahinter und unterhalb gelegenenzugefrorenen See, auf diesem es die erste 2 Km direkt in die weiße Wüste ging.Ich kam sogar noch stehend auf den Skier unten auf dem See an, doch das ruppige schieben von hinten machte ein Abfahren auf Langlauf Skiern nicht gerade zur Genussfahrt…..

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Die ersten Kilometer zogen sich und die Zeit verlief wie im Flug. Ich realisierte meine Geschwindigkeit und es kamen die ersten Zweifel ob ich bei diesem Tempo meine geplante Strecke in meiner Zeitfenster überhaupt schaffe. Das traumhafte Wetter hielt leider auch nicht lange an, und es kam ein stark und eiskalter Sturm auf, der die Eiskristalle nur so aufwirbelte und die Sicht auf einen Schlag trübte. Die Sonnenposition am Himmel war auch nicht mehr wirklich zu erkennen, und so kam ein orientieren nur noch per GPS Steuerung in Frage. Alle Konturen verschmolzen zu einem einzigen Weiss als ob ich in einem Raum stehen würde. Außer den Skispitzen war nichts mehr erkennen, ich befand mich mitten in einem sogenannten Whiteout. Das lustige daran war, das man nicht einmal merkte, ob man gerade bergauf, eben oder bergab lief, und auch merkte ich nicht das ich selbst bei gerade mal 10 Schritten stark von meinem Weg abkam. All diese Erkenntnis beruhigte mich nicht gerade innerlich, und ich wollte in solch einem Moment am liebsten stehen bleiben, das ich mich nicht in ernste Gefahr begebe, mein Zelt aufschlagen und das Wetter auszusitzen. Wenn da nicht der Faktor Zeitfenster gewesen wäre, denn ich sollte ja auch meinen fest gebuchten Flieger zurück nach Deutschland nicht verpassen .

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Also hiess es langsam und vorsichtig weiterlaufen……

Kurz darauf durfte ich am eigenen Körper erfahren das es doch eine schlechte Idee war, in dem ich mich trotz GPS in einen Schräghang manövrierte und und talabwärts abrutschte. Es ging glimpflich aus aber mein Sprunggelenk tat etwas weh. So entschied ich doch frühzeitig mein erstes Nachtquartier aufzuschlagen.

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In kürzester Zeit stand mein neuer Sturmbunker von Fjällräven, das Winter Expeditionszelt Polar Endurance 3, das ich mit speziellen Scheeheringen und zusätzlich meinen Backcountryskiern abspannte, denn es schien eine stürmische Nacht zu werden. Ich löste meine 250 Liter Fjellpulken Transporttasche von den von mir eigens angefertigten speziellen Befestigungen von der Pulka und schleifte die Tasche komplett ins Zelt hinein, so dass ich alles was ich brauchte bei mir im Zelt inneren hatte, und im nu war das 3 Personenzelt gemütlich gefüllt und ich wusste warum ich mich genau für dieses Zelt entschieden hatte. Nun hiess es erst mal einen Schacht in der Apside ausgraben damit ich mehr Platz zum kochen hatte und die Füße besser ausstrecken konnte. Denn ausgegrabenen Schnee verteilte ich rings um das Zelt auf den speziell dafür angebrachten Schneeflaps damit der Wind in der Nacht nicht den Schnee ins Zelt reinbläst, was nicht gerade optimal wäre da man so sonst auch mal ganz schnell ersticken könnte wenn man dies nicht bemerken würde. Mein Primus Omnifuel 2 Benzinkocher läuft in der Zwischenzeit auf voller Leistung, um aus gefrorenem Schnee ,Wasser für den abendlichen Tee und Abendessen herzustellen, welches ein extrem langes Prozedere ist, da Schnee bei -27°C im Zeltinneren enorm lange braucht, bis daraus Wasser entstanden ist .

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Bis man in solch einer arktischen Einöde ein Basecamp Sturmsicher errichtet hat, vergeht ebenso Zeit ,und nach 2 1/2 Stunden hatte ich es doch geschafft etwa 3 Liter Wasser zu schmelzen, trotz 3000 Watt Kocher Leistung. Dafür gab es ein leckeres heißes Abendessen aus der Tüte von Trek`nÈat, jedoch blieb die Zelt Innentemperatur unverändert, und es half nur sich in alles einzupacken was greifbar war, und aus meiner 250 Liter Tasche kam dafür so einiges zum Vorschein. So packte ich mich erst einmal in die neue Fjällräven Keb Touring Trouser, die mollig gefütterte Überhose, schlupfte in die Keb Expedition Down Jacket das in Summe aus mir ein Michelin Männchen machte, stieg in meine Expedition Down Zelt Bootys von Western Mountaineering, und lies mir meine Tüte schmecken. Zum Nachtisch gab es Mousse au Chocolat und eine Tafel Rittersport zusätzlich, so das ich meine verbrauchte Kalorienhaushalt wieder auffüllte .Nach dem versorgen meines Fußgelenkes mit Voltaren Forte schlupfte ich in meinen mit heißem Wasser in einer Nalgene Flasche vorgewärmten Expeditionsschlafsack Polar -30 long , natürlich von Fjällräven. Doch das geschmeidige Daunenfeeling wurde etwas durch den VBL im inneren des Schlafsack getrübt, welcher aber unverzichtbar war. Ein VBL ist so eine Art Biwaksack indiesem man liegt und drumherum ist der Schlafsack, ein Gefühl als liege man in einer Plastiktüte. VBL steht für Vapor Barrier Liner, der dafür sorgt das mein Geschwitztes in der Nacht nicht in das Innere meines Schlafsack gelangt uns somit die Wärmeleistung meines Schlafsack zur Nichte macht, was hier draußen in der Gegend sehr schell zu lebensbedrohlichen Situationen führenkann. Also heißt es sich schnell mit diesem Gefühlszustand anfreunden und in den Tiefschlaf zu gleiten. Leider hielte dieser zufriedene Zustand nicht lange an, als gegen 22.30 Uhr ein 4 stündiger orkanartiger Sturm über das Zelt pfiff und ich dachte es weht mich samt dem ganzen Zelt davon . Eines konnte ich auf jeden Fall schweissgebadet in dieser Situation feststellen, ein anderes Zelt hätte diesem Sturm sicher nicht stand gehalten, und ich wusste nun warum diese Version mit einem doppelten Zeltgestängesatz aufgebaut werden kann, den ich Gott sei Dank am Abend miteinzog, welches eine enorme Stabilität erzeugte.Am frühen Morgen bin ich doch wieder erschöpft eingeschlafen, und wurde gegen halb neun von hellem Sonnenschein durch die orangefarbene Zelthaut geweckt. Nach dem ersten Zelt öffnen, rieselt der Schnee vom Außenzelt mit einer windigen Brise ins Innere, doch der Himmel war blau. Mit einem dicken Kopf von der Nacht, kroch ich aus dem mollig warmen Schlafsack und schlupfte in die eiskalten Keb Kollektion von Fjällräven, die mich aber auch bald wieder wärmten. Bei den ersten Schritte draußen um das Zelt erblickte ich, was sich da draußen in der Nacht abspielte. Die Pulka lag samt Gestänge trotz ihres Gewichtes einige Meter weit entfernt vom Zelt und rings um das Zelt erhob sich die neue Schneedecke in der Nacht um fast 40 cm.

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So warf ich erst mal wieder den Kocher an um Wasser für den neuen Tag zu schmelzen für Frühstück und warmen Tee für unterwegs. Währenddessen verpackte ich wieder die Ausrüstung und nach warmen Müslifrühstück mit einer Tafel Schokolade dazu, verschwand auch der Rest samt Zelt wieder in der Riesen Tasche und die Pulka war wieder Startklar. Doch der Fuß tat doch noch weh.

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Als ich wieder auch den Skiern stand, sah ich erst einmal wo ich gestern eigentlich gelandet war

und durch welches Gebiet es weiter ging. So weit ich schauen konnte, war ich in einem Gebiet mit

enormen Schnee Stufen, über die ich die Pulka schleifen mußte. Kaum hatte ich sie mit all meinen

Kräften auf eine 50 cm Schnee Erhöhung gehievt, ging es nach 5 Metern wieder herunter, und

gleich wieder herauf, was extrem an meiner Psyche kratzte und meine Kräfte für diesen Tag

schnell schmelzen lies. Dazu kam dann auch wiedermal ein ordentlicher eiskalter Wind der mein

Bart gefrieren lies. Auch wurde die Sicht schnell wieder defuser wenn ein Wind aufkam, da er den

Schnee wieder aufwirbelte und ich mich wieder rein auf das GPS Gerät verlassen musste.

Der Neue Schnee und die Umgebungsbedingungen drängten mich leider wieder von meiner

geplanten Route abzuweichen und ich versuchte mittels Karte und GPS Standortbestimmung

mich durch das Gebiet zu steuern, so gut es möglich war, jedoch in einem Schneckentempo.

Gegen Mittag, mit fast keiner Sicht merkte ich das ich mich wieder in einem Schräghang befand

welcher auf der Karte bei einem Maßstab von 1:100000 und GPS nicht eindeutig zu erkennen war.

Eines war sicher, ich musste weiter da durch, da weiter rechts kein weiterkommen in Sicht war

und zur Linken befand ich mich am Rande eines Berges.

Ich stellte immer mehr die Stahlkannten meines Skis auf um halt zu finden und merke das sich die

Bodenbeschaffenheit immer mehr aus blankem Eis befand, statt griffigem Schnee. Plötzlich

bemerkte ich einen starken Sog, erzeugt durch die Pulka, die keinen Halt mehr fand und mit ihren

70kg zum abneigendem Hang abrutschte und mich auf einen Schlag mit nach unten zog. Es ging

alles so schnell und mit einer ordentlichen Geschwindigkeit nach unten, ich überschlug mich ein

paar mal samt der Pulka die immer noch an mir befestigt war und dem 205 cm langen Skiern an

den Füßen. In diesem Moment schoß mir so ziemlich alles durch den Kopf und auf einen Schlag

kam ich zum Stillstand. Ich versuchte blitzartig meinen Körper zu scannen, ob ich ernsthafte

Verletzungen erlitten habe, wie Brüche oder sonstiges, doch nichts der gleichen, außer das mein

Fuß sich samt dem Ski stakt verdreht im Pulkagestänge verhängt hatte. Es war eher ein lustiger

Anblick, als ich mich wieder sammelte und sah wie ich so da lag, und das wie durch ein Wunder

nicht mehr passiert ist. Ich begann laut zu lachen vor Erleichterung. Es dauerte bestimmt an die

10 Minuten bis ich mich aus all dem Gewirr heraus gekämpft hatte und meinen Fuß befreien

konnte. Die verdrehte Fußposition war für meine Fußgelenkbänder das pure Gift und ich konnte kaum auftreten. Jetzt hiess es alle Kräfte mobilisieren , Zähne zusammenbeißen und mich aus dem

Gelände herausbringen auf eine Ebene weiter weg vom Hang, so daß ich schnellst möglich das

Zelt aufschlagen konnte, bei dem rauen Wetter, um den Fuß zu verarzten. Denn das war das

wichtigste, bevor der Schmerz größer wird und der Schock nach läßt.

Nun ja, das sind eben die unkalkulierbaren Faktoren auf einer Expedition, auch wenn man sich

noch so gut im Vorfeld vorbereitet, erst wenn man drinnen steckt sieht man was umzusetzen ist

und wie weit etwas funktioniert, sonst wäre es eben keine Expedition…..

Nun sass ich da, nach dem ich den sturmsicheren Zeltaufbau erledigt hatte, in meinem warmen

Polar Schlafsack, den Fuß wiedermal mit einer extra Portion Voltaren einbandagiert, und mit

Schnee kühlend, den ich ja genug vorrätig da hatte, und lies den Kocher wieder laut fauchend

seine Arbeit verrichten.

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Währenddessen checkte ich die Karte und GPS Position auf dem InReach Explorer+ und kam zu

der Erkenntnis, das es fast unmöglich war, das ich die Strecke noch zeitlich schaffen könnte, und

überlegt schon alternativ Routen. Heute Abend kam es mir wärmer vor, doch nach dem Blick auf

das Thermometer im Zelt waren es -26°C und mir wurde klar das der Körper wegen den

Schmerzen mir was vorgaukelte. Die Fotoakkus haben heute untertags auch schlapp gemacht,

und so mußte ich heute Nacht auch nicht aus dem Zelt um Aufnahmen zu machen und haute

mich gleich nach dem essen aufs Ohr und hoffte das morgen früh wieder alles besser ausschauen

würde. Doch weckte mich wiedermal ein starker Schneesturm gegen 23 Uhr und ich war hell wach, da ich ja auch schon um 19.00 Uhr eingeschlafen war. Im VBL Schweißgebadet kroch ich aus dem

Schlafsack da ich nach 3 Liter Tee am Abend dringend austreten musste.

Austreten heisst aber nicht das Zelt verlassen, denn das hieße, sich die ganze Montur wieder

anziehen, das man nicht gleich erfriert draußen, sondern ich hatte eigens dafür eine separate

Nalgene Flasche dabei für die Nacht, und es versteht sich das diese eine andere Flaschenfarbe

hatte als diese aus der ich trank 😉

Leider hatte ich dieses Prozedere gleich drei mal in dieser Nacht, und war mega gerädert als ich

in der früh wach wurde.

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Nach dem morgendlichen Ablauf, wie wiedermal stundenlang Wasser kochen und verpacken der

Ausrüstung merkte ich das ich mit dem geschwollenen Fuß kaum in den Fischer BCX675

Skischuh rein schlupfen konnte, und auch das schnüren war nicht wirklich möglich.

Ich versuchte mich so gut wie möglich zu stabilisieren um weiter laufen zu können, in diesem

Moment kam mir wie aus dem Nichts ein Norweger aus der Gegenrichtung mit Ski und Pulka

entgegen. Wir tauschten uns aus und ich erfuhr das er keine Stunde von meinem Nachtquartier 2

Tage lang fest saß, aus Erschöpfung und wegen der Wetterverhältnisse. Aufgebrochen ist er

ebenso aus Finse zwei Tage vor mir, und er meinte als erfahrener Backcountryläufer, das die

Bedingungen dieses Jahr noch nie so extrem waren, so das er aufgab und den Rückweg nach

Finse antrat, was er auch mir riet.

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Nun saß ich da, mitten in der Weißen Wüste, auf meiner fett gepackten Pulka, und war total

durcheinander, enttäuscht von mir nach all den Monate langer Vorbereitungen und auch den

hohen Ausgaben, und bemerkte zu meinem ganzen Pech das bei dem gestrigen Sturz auch noch

ein Skifell an der Befestigung kaputt gegangen ist und ich dieses nicht mehr zu montieren war.

In diesem Moment kam mir die ernüchternde Erkenntnis, das ich ebenso den Rücktritt antreten

muss und schauen das ich trotz schmerzendem Fußes und nur einem Skifell unter den Skiern bis

zum Abend die warme Finse Station erreichen sollte. Nach 8 Stunden Laufstrapazen kam ich wie

durch ein Wunder tatsächlich an der Finse Bahnstation an und ich war nur noch froh, genau hier

zu sitze.Ich starrte bestimmt eine Stunde aus dem Fenster der warmen Bahnstation, bevor ich

anfing mich zu sortieren und die Ausrüstung wieder auseinander zu nehmen und für den

Rücktransport zu verpacken. Es war so surreal, vor ein paar Tagen saß ich erst genau hier voller

Vorfreude auf das Abenteuer draußen in der traumhaften Landschaft. Doch eins ist sicher, die

Vidda kann ordentlich Zähne zeigen und mir kamen die Geschichten von Amundsen wieder ins Gedächtnis.

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Währenddessen hatte ich auch Kontakt mit dem Reisebüro aufgenommen, die mir mit viel Glück

und Überredekunst bei der Airline, einen Rückflug in zwei Tagen organisierte.

So hieß es für mich Abschied nehmen von einem ganz besonderen Ort, den ich eigentlich noch

nicht verlassen wollte, und fuhr mit dem Nachtzug wieder nach Oslo.

In Oslo nahm mich Christian noch für einen Tag auf und ich schaute Oslo noch ein wenig an,

bevor es endgültig wieder, viel zu früh, zurück nach München ging.

Zu Hause angekommen, liefen die Gedanken zu dem ganzen Projekt pausenlos durch meinen

Kopf, und es war ein Wechselbad der Gefühle, von Versagen, Glück gehabt und Trauer , doch

kam von Stunde zu Stunde mehr Ruhe in mich, und ich erkannte das alles so wie es war in

Ordnung war und fand langsam Frieden mit mir. Doch kam auch genau da aus tiefstem Herzen

der Wunsch, das ich es nächstes Jahr wieder anpacken möchte – zurück in die atemberaubende

Winterlandschaft Hardangervidda die mich verzaubert hat.

Meine Frau sagte in diesem Augenblick, als ich den Wunsch äußerte, „ich habe nichts anderes

von Dir erwartet!“ Kann man sich da eine bessere Ehefrau wünschen ….

„Any man, how is a man, can travel alone“

Ein Zitat von Jack London